In Polen findet am Sonntag die entscheidende Stichwahl zur Präsidentschaft statt – mit einem äußerst knappen Ausgang zwischen dem proeuropäischen Bürgermeister von Warschau, Rafał Trzaskowski, und dem nationalistischen Historiker Karol Nawrocki. Laut den jüngsten Umfragen liegt die Unterstützung für beide Kandidaten bei exakt 46,3 Prozent.
Trzaskowski wird von der regierenden Mitte unterstützt, während Nawrocki Rückhalt von der rechtskonservativen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) erhält. Beide Kandidaten bemühten sich in der letzten Woche intensiv, Stimmen aus dem gesamten politischen Spektrum zu gewinnen. „Ich verspreche, ein Präsident für alle zu sein“, erklärte Trzaskowski auf einer Großkundgebung in Warschau. Zeitgleich hielt Nawrocki eine eigene Veranstaltung ab – beide zogen Zehntausende Anhänger an.
Ein Sieg Trzaskowskis würde die Position von Premierminister Donald Tusk stärken, dem früheren Präsidenten des Europäischen Rates. Ein Erfolg Nawrockis hingegen könnte die pro-ukrainische Ausrichtung Polens ins Wanken bringen: Er lehnt eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ab und kritisiert die Sonderregelungen für ukrainische Geflüchtete.
Im ersten Wahlgang am 18. Mai holte Trzaskowski 31 Prozent der Stimmen, Nawrocki 30 Prozent. Kandidaten der extremen Rechten vereinigten 21,15 Prozent – ein Wählerreservoir, auf das Nawrocki baut. Er akzeptierte rasch zentrale Forderungen des Rechtsaußenpolitikers Sławomir Mentzen, etwa die Ablehnung von Steuererhöhungen und Einschränkungen der Meinungsfreiheit.
Trzaskowski versuchte ebenfalls, gemäßigte rechte Wähler zu gewinnen, ohne seine linksliberale Basis zu verlieren – ein Balanceakt, der im Wahlergebnis den Ausschlag geben könnte. Das finale Resultat wird voraussichtlich erst am Montag bekanntgegeben.